Camping Lazy Rancho 6.04, Unterseen - Interlaken, Schweiz

Dass der Campingplatz, den Robert Rieder im Jahr 1962 auf dem landwirtschaftlichen Familiengrundstück »im Grüt« eröffnete, den klangvollen Namen »Lazy Alice« erhielt, konnte die unfreiwillige Namenspatin – seine Frau – im Zuge eines handfesten Ehekrachs gerade noch so abwenden. Mit dem - zugegeben etwas irreführenden - Begriff »lazy« verband Robert nämlich den Anblick tiefenentspannter Gäste, und nachdem er sich Zeit seines Lebens eine Ranch gewünscht hatte, wurde halt »Lazy Rancho« draus. Nach Bergketten benannte Campingplätze gab es seiner Meinung nach im Berner Oberland schon zur damaligen Zeit einfach zu viele.
 

Mit dem Bau einer einfachen sanitären Anlage, damals noch mit Kaltwasser-Dusche, zog ein wenig Komfort auf die grüne Wiese, die schon zu Grossmutter Rieders Zeiten von vorbeiziehenden Campern gerne zum Übernachten angesteuert wurde. Diese – ganz Geschäftsfrau – verzichtete nicht selten auf ein Übernachtungsendgeld, sondern verkaufte den Gästen stattdessen ihre landwirtschaftlichen Produkte. Die »breite Masse« – überwiegend Familien mit Kindern – rückte zur damaligen Zeit zumeist mit Zelten in variablen Grössen an. Nur wenige konnten sich den Luxus eines Wohnwagens leisten.

Nach und nach führte Robert einen Residenzteil ein (noch heute gehören einige Mieter zu den Gästen der ersten Stunde!) und vermietete ein ehemaliges Hühnerhäuschen an Besucher ohne eigenes Zelt oder eigenen Wohnwagen. So manches damals frisch vermählte Paar kann von seinen Flitterwochen in eben diesem Hühnerhäuschen berichten. Es steht heute auf einem Bauernhof.

Heute wacht mit Tochter Aline bereits die dritte Generation über ein gesittetes Miteinander von Campingbegeisterten aus aller Welt.  Sie übernahm nach einigen langen Auslandreisen und Sprachaufenthalten 1986 mit ihrem Mann Stephan das Ruder. Dieser wuchs nur einen Steinwurf weiter südlich ebenfalls auf einem Campingplatz (Camping Hobby 3) auf. Mit einem breiten Grinsen denkt der gelernte Forstwart an die Anfänge in den 60er Jahren zurück, als er auf dem Mäher sitzend die Rasenflächen in Form brachte oder aus den Metalleimern neben den Zelten den Müll zusammentrug. Damals, so erzählt er, kamen die Leute einfach vorbei, ohne zu reservieren. Und eine Übernachtung kostete 5 Franken. Pro Familie!

Seit den Anfängen in den frühen 60ern hat sich vieles verändert, nicht zuletzt die Ansprüche der Gäste. Mit grossem persönlichen Engagement und hohem finanziellen Aufwand wurde aus der einst einfachen Wiese ein kultivierter 4-Stern Campingplatz mit allen Annehmlichkeiten. Heute geniessen Besucher aus aller Welt den gepflegten Komfort moderner Sanitäranlagen und Aufenthaltsräume und nicht zuletzt den einmaligen Blick auf das Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau.

Frischvermählte machen es sich inzwischen in einem von Aline liebevoll dekorierten »Love-Iglu« gemütlich. So kann auch nach über 50 Jahren stilvoll auf dem Campingplatz geflittert werden. Nun allerdings mit Prosecco und Kapselkaffee - und warmen Duschen.

Und da es immer noch Gäste gibt, die nicht über ein eigenes Zelt, ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen verfügen und ausgediente Hühnerhäuser darüber hinaus schwer zu haben sind, kamen in den letzten Jahren in Form von urigen Holz-Iglus und geräumigen Bungalows moderne Mietobjekte dazu. Diese Angebote werden inzwischen auch von Gästen aus ganz fernen Ländern gerne gebucht – »Camping light« für Einsteiger sozusagen. Aline erzählt von einer indischen Familie, die an einem – nach Schweizer Verständnis – Schmuddelwettertag im Mai den frisch gefallenen Schnee bestaunte und von ihrer grossen Freude, dies einmal erleben zu dürfen. Auch das Wetter ist eben Ansichtssache.

Zu den weniger schönen Erinnerungen gehört für sie rückblickend der Jahrhundert-Hagelsturm vom 19. Juli 2007: Innerhalb von nur 20 Minuten verwandelte eine Gewitterfront den Campingplatz in ein Schlachtfeld. Kein Zelt blieb intakt, sämtliche Oberlichter der Wohnwagen und Wohnmobile wurden zerstört, der Baumbestand regelrecht geschreddert. Über eine Tonne Grünabfall schafften Stephan und seine Mitarbeiter damals vom Gelände. Kein schöner Anblick.

Aber da sind auch die kleinen Geschichten von Pärchen, die sich als Teenager auf dem Lazy Rancho kennen- und lieben gelernt haben und nun – inzwischen verheiratet – mit den eigenen drei Kindern in die Campingferien kommen. Oder von Einladungen zu Hochzeiten von Gästen nach Spanien.

Es sind diese Momente, für die es sich aufzustehen lohnt. Sieben lange Monate lang. Jeden Morgen.

(Text: Bettina Fuchs)

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